Kaiserliche Marine und U-Bootwaffe 1.Weltkrieg

331 Prächtiges Schreibtisch - Set des Großadmirals Alfred v. Tirpitz (1849 - 1930).

Das Ensemble besteht aus dem persönlichen Petschaft Großadmirals v. Tirpitz und einem en suite gearbeiteten Brieföffner.
Das Petschaft mit originalem Griffstück eines Offiziersdolchs der Kaiserlichen Marine. Der vergoldete Knauf in Form der Kaiserkrone, Elfenbeingriff mit vergoldeter Drahtwickelung. Das Petschaft mit graviertem Familienwappen Alfred v. Tirpitz. Dazu Siegelabdruck des Petschafts.
150 x 85 mm.

Der Brieföffner ebenso in Form des Kaiserlichen Marinedolchs mit originalem, vergoldeten Griffstück mit Elfenbeingriff und aus Elfenbein gearbeiteter Klinge. Die Vorderseite mit graviertem, von der Kaiserkrone überhöhten Anker der kaiserlichen Marine. Auf der Rückseite die verschlungenen Initialen"AT" Großadmirals Alfred v. Tirpitz.
Länge: 30 cm.

Beide Stücke zusammen im schönen , mit goldgeprägtem grünen Leinen bezogenen Originaletui. 35 x 22 x 4,5 cm.












Alfred Peter Friedrich Tirpitz, ab 1900 von Tirpitz (* 19.März 1849 in Küstrin; † 6. März 1930 in Ebenhausen in Oberbayern), war eindeutscher Großadmiral, von 1897 bis 1916 Staatssekretär des Reichsmarineamtsund später Politiker der Deutschnationalen.

Alfred Tirpitz begann seine militärische Laufbahn am 24.April 1865 in der Preußischen Marine im Range eines Kadetten, am 24. Juni 1866wurde er zum Seekadetten ernannt, und am 1. August 1866 begann er seineseemännische Ausbildung auf dem Segelschulschiff SMS Musquito, das nach einerFahrt von Kiel ins westliche Mittelmeer im Juni 1867 zurückkehrte. Nach demEintritt in die Marine des Norddeutschen Bundes am 24. Juni 1869 wurde Tirpitzam 22. September 1869 zum Unterleutnant zur See befördert; es folgten am 25.Mai 1872 der Leutnant zur See, am 18. November 1875 der Kapitänleutnant, am 17.September 1881 der Korvettenkapitän und schließlich am 24. November 1888 derKapitän zur See. Am 13. Mai 1895 erreichte er den Rang des Contreadmiral;dieser Titel entsprach nach der Eindeutschung zum Jahresbeginn 1899 demKonteradmiral. Am 5. Dezember 1899 wurde er zum Vizeadmiral ernannt, am 14.November 1903 zum Admiral befördert.

Mit Allerhöchster Kabinettsorder (AKO) erhielt Alfred vonTirpitz am 27. Januar 1911 den Rang und Titel eines Großadmirals verliehen,wobei ihm aber kein Großadmiralstab verliehen wurde und er auf denSchulterstücken nicht die gekreuzten Marschallstäbe, sondern stattdessen vierRangsterne tragen durfte. Die Erlaubnis, den Rang "Großadmiral" zu führen, warals Auszeichnung für seine Verdienste beim Aufbau der Marine gedacht; dievollen Insignien eines Großadmirals blieben ihm jedoch aufgrund der Tatsache,dass er nie ein Seekommando als Flottenbefehlshaber geführt hatte, verwehrt.Seine militärische Karriere beendete er am 15. März 1916 mit dem Eintritt inden Ruhestand.

Großadmiral Alfred von Tirpitz gilt als Begründer derdeutschen Hochseeflotte. Ziel war es, eine Flotte zu schaffen, die zwar dieStärke der britischen Flotte nicht erreichen, jedoch für die SeemachtGroßbritannien zumindest eine Risikodrohung im Falle eines Krieges gegen dasDeutsche Reich darstellen sollte. So kam es zum Deutsch-Britischen Wettrüsten.Die so geschaffene Flotte wird auch gelegentlich als Risikoflotte bezeichnet,deren Existenz in der imperialistischen Rivalität im Vorfeld des ErstenWeltkriegs von Großbritannien immerhin als Bedrohung aufgefasst wurde.

Meinungsverschiedenheiten mit Wilhelm II. über den Einsatzder Flotte im Krieg führten zum Ausscheiden des Großadmirals aus demmilitärischen Dienst. Wilhelm II. selbst berichtet dagegen, dass derReichskanzler von Bethmann die Entlassung des Großadmirals gefordert habe, daihm alle Staatssekretäre unterstellt seien und er als Kanzler das Sagen habe.

"Tirpitz-Plan"

 Gemeinsam mit der Berufung von Bernhard von Bülow zumStaatssekretär des Äußeren wurde Alfred Tirpitz 1897 als Nachfolger vonFriedrich von Hollmann zum Staatssekretär des Reichsmarineamts ernannt, um alsEntscheidungsträger im Bereich der deutschen Außenpolitik das LieblingsprojektWilhelms II., den Ausbau der deutschen Hochseeflotte, verwirklichen zu helfen.Dieses Vorhaben wird "Tirpitz-Plan" genannt. Tirpitz' Propagandachef wurdeErnst Levy von Halle.

Die Seerüstung war keine spezifisch deutsche Angelegenheit.Großbritannien hatte seine Flotte nach der Naval Defence Act 1889 mit großenSchiffen massiv verstärkt. Das neue Paradigma des Two-Power-Standard ging aufAlfred Thayer Mahan und sein epochales Buch The Influence of Sea Power uponHistory von 1890 zurück. Das "Denken in Schlachtschiffen" begann.

Um dieses Projekt, für das Tirpitz 20 Jahre veranschlagthatte, auf Dauer umsetzen zu können, setzte Bülow zunächst durchweg auf dieErhaltung des Friedens. Für den Flottenbau schien vorläufig Ruhe erforderlich.Denn es kam darauf an, "eine weltpolitische Gefahrenzone möglichst ungestört zudurchqueren, bis Deutschland mit dem in aller Stille geschärften Schwert in derHand hervortreten konnte". Bülow sorgte dafür, dass die Rahmenbedingungengeschaffen wurden, damit sich Tirpitz' Forderung nach erheblichem Ausbau derFlotte verwirklichen ließ.

Der Flottenbau sollte eine Art von Bündnisersatz sein undden Ausbruch aus der kontinentalen Enge fördern; er sollte gleichzeitig dieLösung für die propagandistisch oft als die großen Probleme der Zeitbezeichneten Phänomene des stetigen Bevölkerungswachstums und der Notwendigkeitder Schaffung neuer Märkte zur Ermöglichung einer stetig fortschreitendenIndustrieexpansion bieten; darüber hinaus sollte er die bei vielen Kreisen imLande vorherrschende und publizistisch oft vertretene Prestigesuchtbefriedigen. Er sollte die außenpolitische Unabhängigkeit sichern und zuweltpolitischer Größe verhelfen, die ihrerseits dann auch die innenpolitischenVerhältnisse dauerhaft konsolidieren würden.

Tirpitz glaubte, dass sein Flottenbauplan auch den Effekthaben würde, durch eine erfolgreiche Außenpolitik eine Parlamentarisierung undDemokratisierung des preußisch-deutschen Konstitutionalismus zu verhindern.Dabei sollten Industrielle, Agrarier und Militärs auf der Grundlage gemeinsamerInteressen zur Basis für die Politik des Reiches werden. Die Sammlung dieser"staatserhaltenden Kräfte" sollte vor allem gegen die Bedrohung durch dieSozialdemokratie gerichtet sein. Es galt, den Arbeiter für ein wirtschaftlichund außenpolitisch erfolgreiches Kaisertum zu gewinnen, indem man an seinenationalen Gefühle appellierte, wobei sich die Krone selbst letztlich als derentscheidende Integrationsfaktor verstand. Daher vollzog sich auch diegleichzeitig mit dem Flottenbau einsetzende Wandlung zum persönlichen Regimentdes Kaisers mit seinen bonapartistischen Zügen nicht zufällig. Wilhelm II., derum die Jahrhundertwende noch glaubte, die Sozialdemokratie sei nur einevorübergehende Erscheinung, wurde spätestens durch das Wahlergebnis von 1903belehrt, dass diese Annahme falsch war und die Strukturkrise des Reicheskeinerlei Besserung erfahren hatte. Es wurde deutlich, dass Flottenpolitik undKaisertum nie die breite Machtbasis erringen konnten, die sie anstrebten.

Zu Anfang des Flottenbauprogramms schwankte der Kaiser inder Frage der Realisierung des Flottenbauprogramms noch zwischen zweibautechnischen Alternativen: Sollte er eine Kreuzerflotte (Aufklärungsschiffe)bauen lassen, die zum Schutze der Kolonien deutsche Präsenz auf allenWeltmeeren demonstrieren konnte, oder sollte er sich für eine Schlachtflotteentschließen, die in der Nordsee gegen Großbritannien zu stationieren war?

Zu dieser Frage arbeitete Admiral von Tirpitz ein Memorandummit dem unscheinbaren Titel "Allgemeine Gesichtspunkte bei der Feststellungunserer Flotte nach Schiffsklassen und Schiffstypen" aus. Gleich zu Beginn desMemorandums lehnt er den Kreuzerkrieg als eine für Deutschland aussichtsloseStrategie ab. Um in der Nordsee eine Vormachtstellung anstreben zu können, seies nötig, eine hohe Zahl an Linienschiffen (Großkampfschiffe) zu bauen, dieeben für den Kampf in der Linie geeignet seien und im Ernstfall nicht soschnell zu versenken wären.

Über die geplante Anzahl an Linienschiffen meinte Tirpitz zudiesem Zeitpunkt, eine Zahl von zwei Geschwadern à acht Linienschiffen mitjeweils einem Reserveschiff sei bis 1905 zu verwirklichen. Wilhelm II. schlosssich diesen Ansichten des Staatssekretärs Tirpitz an und begann, zunächst gegenden Widerstand des Reichstags, den Schlachtflottenbau in die Wege zu leiten.Mit den beiden Flottengesetzen von 1898 und insbesondere dem von 1900, das diekünftige Entwicklung der deutschen Seerüstung im Kern bestimmte, wurde der Grundsteinfür den von dem deutschen Historiker Volker R. Berghahn als "Tirpitz-Plan"bezeichneten Schlachtflottenbau gelegt; in den Novellen von 1906, 1908 und 1912fand er konsequent verfolgte und systematisch angepasste Ergänzungen. Übereinen Zeitraum von zwei Jahrzehnten sollte eine Schlachtflotte vonLinienschiffen erbaut werden, die Großbritannien Paroli zu bieten vermochte.Erst damit glaubte man Deutschlands Großmachtstatus international festigen zukönnen.

Unaufhebbar gingen offensive und defensive Elemente in denunübersichtlich wirkenden Risikogedanken ein, der im Zentrum des Tirpitz-Plansstand. Für die Briten sollte ein Angriff auf die deutsche Flotte zu einemunabsehbaren Risiko werden, das sie nicht wagen würden einzugehen. Sollte esdennoch zu einem militärischen Konflikt kommen, würde ein Sieg der Royal Navynur einem Pyrrhussieg gleichkommen, der angesichts der eigenen hohen Verlusteeher eine Niederlage bedeuten würde. Mit Sicherheit jedenfalls würdeGroßbritannien darüber den ohnehin schon zweifelhaft gewordenen "Two PowerStandard" einbüßen, einer Maxime der britischen Admiralität, die besagte, dassdie britische Flotte immer mindestens so stark sein müsse wie die der beidennächsten großen Seemächte zusammen, um somit der Aufgabe der Sicherung desbestehenden Weltreiches ausreichend gewachsen zu sein. So hätte es im Falleeines Konflikts mit Deutschland leicht zum Opfer der dann überlegenenSeestreitkräfte der Franzosen und Russen, die lange Jahre als diegefährlichsten Konkurrenten des Empire galten, absinken können.

Einem solchen kühn angelegten Plan haftete von vornhereinetwas Illusorisches an. Eine große Macht wie das Deutsche Reich konnte sichkaum einige Jahre von der Weltpolitik verabschieden, um in aller Ruhe ungestörtaufzurüsten. Außerdem musste Großbritannien früher oder später auf dieHerausforderung reagieren. Seit dem Herbst 1902 wurden einzelne britischeKabinettsmitglieder auf den offensiven Charakter des TirpitzschenSchlachtflottenbaukonzepts aufmerksam. Vom Jahre 1904 an kam es zu einerbritisch-französischen Zusammenarbeit, so dass die britischen Seestreitkräftein der Nordsee verstärkt werden konnten. Eine vollends neue Dimension erhieltder Rüstungswettlauf, als Großbritannien ab 1906 mit der Konstruktion einesneuen, qualitativ überlegenen Schiffstyps, der "Dreadnought"-Klasse, begann.Bald darauf begann sich das endgültige Scheitern des Tirpitz-Plansabzuzeichnen. Der einzige Marineoffizier, der ab 1907 öffentlich denTirpitz-Plan kritisierte, war Vizeadmiral Karl Galster, dessen alternativeÜberlegungen zu einer Kleinkriegführung zur See sich allerdings nichtdurchsetzte.

    Innenpolitischbeabsichtigte Tirpitz, den Umfang der Marine gesetzlich festzulegen (ähnlichwie beim Heer), um damit den Einfluss des Reichstags auf die Marine zuverringern. Durch geschickte Behandlung des Reichstags und gut organisiertePropagandakampagnen gelang es ihm, diesem Ziel mit Zustimmung des Reichstagssehr nahe zu kommen.

    Als Größenordnunghatte Tirpitz von Anfang an eine Flotte im Auge, die 2/3 der britischen Flottestark sein sollte. Dieses Ziel benannte er nicht öffentlich.

    Wegen der enormenKosten des Flottenbaus musste an anderen Stellen gespart werden. Dies betrafinsbesondere das Heer. Tirpitz hatte es da relativ leicht, weil es in derHeeresführung starke Kräfte gab, die das Heer exklusiv halten wollten, um dasEindringen bürgerlicher und sozialdemokratischer Elemente zu verhindern. EineFolge davon war allerdings, dass die Landmacht Deutschland zu Beginn des ErstenWeltkriegs weniger ausgebildete Soldaten als Frankreich hatte.

    Die Idee, dieFlotte unauffällig zu bauen und erst nach ihrer Fertigstellung als Machtmitteleinzusetzen, war zwar im Prinzip richtig, aber bei einer Bauzeit von 20 Jahrenunrealistisch. Man kann nicht jahrelang für etwas Propaganda machen, von demdas Volk nichts zu sehen bekommt. Natürlich war es auch nicht möglich, den Baueiner so großen Flotte nach außen zu verheimlichen. Dazu kam noch, dass derKaiser dazu neigte, bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit "seiner" Flotte zuprahlen. Als politisches Drohmittel war die Flotte ohnehin nur zu gebrauchen,wenn die potentiellen Gegner davon wussten.

    Spätestens ab 1905war klar, dass Deutschland nicht einmal das Wettrüsten auf Basis 2/3 derbritischen Stärke gewinnen konnte. Trotzdem lehnten es Tirpitz und der Kaiserstrikt ab, über Rüstungsbegrenzung auch nur nachzudenken.

    DassGroßbritannien nicht auf die von Tirpitz angestrebte Entscheidungsschlacht inden ersten Kriegstagen einzugehen brauchte, sondern seine Flotte außerhalb derReichweite der deutschen Flotte zur Fernblockade einsetzen konnte, war schon1898 in Planspielen diskutiert worden. Politische Konsequenzen wurden darausnicht gezogen. Tirpitz gab sich auch keine Mühe, dem Kaiser diese Alternativewirklich klarzumachen.

Tirpitz, der die Kriegszielfrage als die Hauptfrage desWeltkriegs betrachtete, drängte auf Annexionen hauptsächlich im Westen, um"Deutschland als Weltmacht weiter zu entwickeln". Für Deutschlands "Seegeltung"brauche man Belgien, den Besitz von Zeebrügge und Ostende, denn der Hauptfeindsei Großbritannien, daher plädierte er für einen russischen Sonderfrieden undwollte Russland sogar den Zugang zum freien Weltmeer gewähren. Deutschlandkönne ein noch so großer Kontinentalstaat sein, könne seine Weltstellung abernur durch ungestörten Welthandel und im Kampf gegen Großbritannien bewahren undausbauen. Tirpitz beklagte Deutschlands "Politik der Unklarheit,Unentschlossenheit, des Überwiegens einer humanitären Ideologie über gesundenSelbsterhaltungswillen, der Politik der Übergerechtigkeit für die Neutralen aufKosten vitaler deutscher Interessen, des Bettelns nach Frieden und des Dienernsringsum". Er forderte eine energische Kriegsführung ohne Rücksicht aufdiplomatische und handelspolitische Folgen und befürwortete den äußerstenEinsatz aller Kampfmittel (uneingeschränkter U-Boot-Krieg).Die Haltung seinerinsgesamt nach Westen hin orientierten Gruppe gegenüber dem Britischen Empirewar getragen von Neid und Hass einerseits, zugleich aber auch von Bewunderungund Imitation.

Im Weltkrieg und auch schon davor geriet er in Gegensatz zurPolitik von Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg, der eine Politik derVerständigung gegenüber Großbritannien betrieb und die Flotte als Instrumentder Defensive betrachtete. Nach des Kanzlers Ansicht sollte der Sieg zu Landerfolgen, nicht zur See. Damit geriet er in Konflikt zu Tirpitz, der die Flotteoffensiv gegen die britische Home Fleet einsetzen wollte, bevor diese 1916 ihregrößte Wirksamkeit entfalten konnte. Dadurch sollten britische Kräfte gebundenund deren Einsatz in Übersee geschwächt werden, was zur Entlastung derneutralen Staaten und der deutschen Versorgungswege über See beitrug. Außerdemsollten laut Tirpitz die Landstreitkräfte entlastet werden und die Moral derMarine gestärkt werden. Eine Flotte, die untätig im Hafen lag (Fleet-in-being),sei ein potentieller Unruheherd und würde die deutsche Flottenbaupolitik vordem Kriege im Nachhinein ad absurdum führen. Der uneingeschränkte U-Boot-Kriegwar seiner Ansicht ebenfalls verfehlt, da er viel zu spät eingeleitet wurde. Essei versäumt worden, ihn 1916 zu seiner größten Wirksamkeit zu bringen, da diebritische Flottenpolitik und -kapazität noch wirksam bekämpft werden konnte.

Im März 1916 kam es zu starker Kritik der deutschenMarineführung in Presse und Reichstag, welche sich in einem Bericht zu den(vermeintlichen) Flottenzahlen im Bundesrat zuspitzte. Heinrich Löhlein,welcher schon vorweg in der Kritik von von Bethmann Hollweg stand, hatte diesein Vertretung von von Tirpitz vorgetragen. Am 12. März 1916 reichte Tirpitzsein Rücktrittsgesuch als Staatssekretär des Marineamtes ein, das vier Tagespäter bewilligt wurde. In einem Gespräch vom 1. April mit Paul Felisch gibtTirpitz der ungeschickten Öffentlichkeitsarbeit des Reichskanzlers die Schuldfür seinen Rücktritt. Felisch, der damals Leiter der Justizabteilung imMarineamt war, zitiert seinen ehemaligen Vorgesetzten wie folgt: "Derverschärfte U-Bootskrieg, wie ihn der Kanzler jetzt hinstellt, ist derU-Bootskrieg, den wir stets gehabt haben. [...] Der Kanzler kann sich ebennicht entschließen, einen festen Willen durchzusetzen, und darum glauben dieNeutralen, dass wir schwach sind. Auf diese Weise wird der Glaube an unserenSieg in der ganzen Welt untergraben. Wenn wir auf die Denkschrift nichts folgenlassen wollten, hätten wir sie nicht in die Welt setzen dürfen."Diese Aussagekam jedoch eher einer Rechtfertigung gleich, zumal Tirpitz nur in reinmilitärischen Belangen dachte und dabei die außenpolitischen Konsequenzen desU-Boot-Krieges nicht berücksichtigte.

Laut britischer Pressestimmen sei 1916 das Empire in neunMonaten "am Ende".

Außerdem beklagte er den Kompetenzwirrwarr imFlottenkommando, das zwischen Kaiser, Reichskanzler, Kabinett und Generalstabaufgeteilt war. Dies verhindere flexibles Reagieren der Seestreitkräfte. SeineForderung nach zentraler Befehlsgewalt nach Vorbild der britischen Admiralitätstieß bei den genannten Gremien auf taube Ohren und führte zu seinerResignation 1916. Von 1908 bis 1918 war Tirpitz Mitglied des PreußischenHerrenhauses.

1917 war Tirpitz Mitgründer und Vorsitzender der alldeutschund nationalistisch orientierten Vaterlandspartei. Der rechtsradikale WolfgangKapp war sein Stellvertreter, der zusammen mit Heinrich Claß und ConradFreiherr von Wangenheim den politischen Apparat aufbaute. Hier sammelten sich dieGegner eines Verständigungsfriedens, die in Opposition zur Reichstagsmehrheitden Kampf gegen die Friedensresolution führten. Die Vaterlandspartei war eineaußerparlamentarische Bewegung von rechts, mit dem Anspruch auf Integrationaller rechten Parteien und Verbände. Erstmals wurde das Konzept deraußerparlamentarischen Mobilisierung von rechts realisiert. Auf ihremHöhepunkt, im Sommer 1918, hatte die Partei über 1,25 Millionen Mitglieder.Geprägt war die Vaterlandspartei von "cäsaristischem Herrschaftsdenken", wobeiErich Ludendorff und Paul von Hindenburg als "Volkskaiser" propagandistischaufgebaut wurden, mit dem Ziel des "plebiszitären Militärstaates", dessenLegitimität auf Krieg und Kriegszielen beruhte, als Alternative zurParlamentarisierung des Reiches. Intern gab es daher Aufrufe zum Staatsstreichvon rechts unter der Führung von Hindenburg und Ludendorff, notfalls auch gegenden Kaiser. Tirpitz hat mit dem Flottenverein, den Staatsstreichplänen 1915 undder Vaterlandspartei bewiesen, dass er zur politischen Agitation mit demInstrument einer Massenpartei und dem Mittel der Propaganda sowie zumStaatsstreich gegen den Kaiser und zur Militärdiktatur bereit war.

Ab 1924 war Tirpitz als Abgeordneter der DeutschnationalenVolkspartei (DNVP) Mitglied des Reichstags, aus dem er sich 1928 zurückzog undseine politische Arbeit beendete. Er bezog im selben Jahr eine für ihn inFeldafing gebaute Villa und starb am 6. März 1930 in Ebenhausen bei München.Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof in München.

Alfred Peter Friedrich Tirpitz, ab 1900 von Tirpitz (* 19.März 1849 in Küstrin; † 6. März 1930 in Ebenhausen in Oberbayern), war eindeutscher Großadmiral, von 1897 bis 1916 Staatssekretär des Reichsmarineamtsund später Politiker der Deutschnationalen.

 

Alfred Tirpitz begann seine militärische Laufbahn am 24.April 1865 in der Preußischen Marine im Range eines Kadetten, am 24. Juni 1866wurde er zum Seekadetten ernannt, und am 1. August 1866 begann er seineseemännische Ausbildung auf dem Segelschulschiff SMS Musquito, das nach einerFahrt von Kiel ins westliche Mittelmeer im Juni 1867 zurückkehrte. Nach demEintritt in die Marine des Norddeutschen Bundes am 24. Juni 1869 wurde Tirpitzam 22. September 1869 zum Unterleutnant zur See befördert; es folgten am 25.Mai 1872 der Leutnant zur See, am 18. November 1875 der Kapitänleutnant, am 17.September 1881 der Korvettenkapitän und schließlich am 24. November 1888 derKapitän zur See. Am 13. Mai 1895 erreichte er den Rang des Contreadmiral;dieser Titel entsprach nach der Eindeutschung zum Jahresbeginn 1899 demKonteradmiral. Am 5. Dezember 1899 wurde er zum Vizeadmiral ernannt, am 14.November 1903 zum Admiral befördert.

 

Mit Allerhöchster Kabinettsorder (AKO) erhielt Alfred vonTirpitz am 27. Januar 1911 den Rang und Titel eines Großadmirals verliehen,wobei ihm aber kein Großadmiralstab verliehen wurde und er auf denSchulterstücken nicht die gekreuzten Marschallstäbe, sondern stattdessen vierRangsterne tragen durfte. Die Erlaubnis, den Rang "Großadmiral" zu führen, warals Auszeichnung für seine Verdienste beim Aufbau der Marine gedacht; dievollen Insignien eines Großadmirals blieben ihm jedoch aufgrund der Tatsache,dass er nie ein Seekommando als Flottenbefehlshaber geführt hatte, verwehrt.Seine militärische Karriere beendete er am 15. März 1916 mit dem Eintritt inden Ruhestand.

 

Großadmiral Alfred von Tirpitz gilt als Begründer derdeutschen Hochseeflotte. Ziel war es, eine Flotte zu schaffen, die zwar dieStärke der britischen Flotte nicht erreichen, jedoch für die SeemachtGroßbritannien zumindest eine Risikodrohung im Falle eines Krieges gegen dasDeutsche Reich darstellen sollte. So kam es zum Deutsch-Britischen Wettrüsten.Die so geschaffene Flotte wird auch gelegentlich als Risikoflotte bezeichnet,deren Existenz in der imperialistischen Rivalität im Vorfeld des ErstenWeltkriegs von Großbritannien immerhin als Bedrohung aufgefasst wurde.

 

Meinungsverschiedenheiten mit Wilhelm II. über den Einsatzder Flotte im Krieg führten zum Ausscheiden des Großadmirals aus demmilitärischen Dienst. Wilhelm II. selbst berichtet dagegen, dass derReichskanzler von Bethmann die Entlassung des Großadmirals gefordert habe, daihm alle Staatssekretäre unterstellt seien und er als Kanzler das Sagen habe.

"Tirpitz-Plan"

 

Gemeinsam mit der Berufung von Bernhard von Bülow zumStaatssekretär des Äußeren wurde Alfred Tirpitz 1897 als Nachfolger vonFriedrich von Hollmann zum Staatssekretär des Reichsmarineamts ernannt, um alsEntscheidungsträger im Bereich der deutschen Außenpolitik das LieblingsprojektWilhelms II., den Ausbau der deutschen Hochseeflotte, verwirklichen zu helfen.Dieses Vorhaben wird "Tirpitz-Plan" genannt. Tirpitz' Propagandachef wurdeErnst Levy von Halle.

 

Die Seerüstung war keine spezifisch deutsche Angelegenheit.Großbritannien hatte seine Flotte nach der Naval Defence Act 1889 mit großenSchiffen massiv verstärkt. Das neue Paradigma des Two-Power-Standard ging aufAlfred Thayer Mahan und sein epochales Buch The Influence of Sea Power uponHistory von 1890 zurück. Das "Denken in Schlachtschiffen" begann.

 

Um dieses Projekt, für das Tirpitz 20 Jahre veranschlagthatte, auf Dauer umsetzen zu können, setzte Bülow zunächst durchweg auf dieErhaltung des Friedens. Für den Flottenbau schien vorläufig Ruhe erforderlich.Denn es kam darauf an, "eine weltpolitische Gefahrenzone möglichst ungestört zudurchqueren, bis Deutschland mit dem in aller Stille geschärften Schwert in derHand hervortreten konnte". Bülow sorgte dafür, dass die Rahmenbedingungengeschaffen wurden, damit sich Tirpitz' Forderung nach erheblichem Ausbau derFlotte verwirklichen ließ.

 

Der Flottenbau sollte eine Art von Bündnisersatz sein undden Ausbruch aus der kontinentalen Enge fördern; er sollte gleichzeitig dieLösung für die propagandistisch oft als die großen Probleme der Zeitbezeichneten Phänomene des stetigen Bevölkerungswachstums und der Notwendigkeitder Schaffung neuer Märkte zur Ermöglichung einer stetig fortschreitendenIndustrieexpansion bieten; darüber hinaus sollte er die bei vielen Kreisen imLande vorherrschende und publizistisch oft vertretene Prestigesuchtbefriedigen. Er sollte die außenpolitische Unabhängigkeit sichern und zuweltpolitischer Größe verhelfen, die ihrerseits dann auch die innenpolitischenVerhältnisse dauerhaft konsolidieren würden.

 

Tirpitz glaubte, dass sein Flottenbauplan auch den Effekthaben würde, durch eine erfolgreiche Außenpolitik eine Parlamentarisierung undDemokratisierung des preußisch-deutschen Konstitutionalismus zu verhindern.Dabei sollten Industrielle, Agrarier und Militärs auf der Grundlage gemeinsamerInteressen zur Basis für die Politik des Reiches werden. Die Sammlung dieser"staatserhaltenden Kräfte" sollte vor allem gegen die Bedrohung durch dieSozialdemokratie gerichtet sein. Es galt, den Arbeiter für ein wirtschaftlichund außenpolitisch erfolgreiches Kaisertum zu gewinnen, indem man an seinenationalen Gefühle appellierte, wobei sich die Krone selbst letztlich als derentscheidende Integrationsfaktor verstand. Daher vollzog sich auch diegleichzeitig mit dem Flottenbau einsetzende Wandlung zum persönlichen Regimentdes Kaisers mit seinen bonapartistischen Zügen nicht zufällig. Wilhelm II., derum die Jahrhundertwende noch glaubte, die Sozialdemokratie sei nur einevorübergehende Erscheinung, wurde spätestens durch das Wahlergebnis von 1903belehrt, dass diese Annahme falsch war und die Strukturkrise des Reicheskeinerlei Besserung erfahren hatte. Es wurde deutlich, dass Flottenpolitik undKaisertum nie die breite Machtbasis erringen konnten, die sie anstrebten.

 

Zu Anfang des Flottenbauprogramms schwankte der Kaiser inder Frage der Realisierung des Flottenbauprogramms noch zwischen zweibautechnischen Alternativen: Sollte er eine Kreuzerflotte (Aufklärungsschiffe)bauen lassen, die zum Schutze der Kolonien deutsche Präsenz auf allenWeltmeeren demonstrieren konnte, oder sollte er sich für eine Schlachtflotteentschließen, die in der Nordsee gegen Großbritannien zu stationieren war?

 

Zu dieser Frage arbeitete Admiral von Tirpitz ein Memorandummit dem unscheinbaren Titel "Allgemeine Gesichtspunkte bei der Feststellungunserer Flotte nach Schiffsklassen und Schiffstypen" aus. Gleich zu Beginn desMemorandums lehnt er den Kreuzerkrieg als eine für Deutschland aussichtsloseStrategie ab. Um in der Nordsee eine Vormachtstellung anstreben zu können, seies nötig, eine hohe Zahl an Linienschiffen (Großkampfschiffe) zu bauen, dieeben für den Kampf in der Linie geeignet seien und im Ernstfall nicht soschnell zu versenken wären.

 

Über die geplante Anzahl an Linienschiffen meinte Tirpitz zudiesem Zeitpunkt, eine Zahl von zwei Geschwadern à acht Linienschiffen mitjeweils einem Reserveschiff sei bis 1905 zu verwirklichen. Wilhelm II. schlosssich diesen Ansichten des Staatssekretärs Tirpitz an und begann, zunächst gegenden Widerstand des Reichstags, den Schlachtflottenbau in die Wege zu leiten.Mit den beiden Flottengesetzen von 1898 und insbesondere dem von 1900, das diekünftige Entwicklung der deutschen Seerüstung im Kern bestimmte, wurde der Grundsteinfür den von dem deutschen Historiker Volker R. Berghahn als "Tirpitz-Plan"bezeichneten Schlachtflottenbau gelegt; in den Novellen von 1906, 1908 und 1912fand er konsequent verfolgte und systematisch angepasste Ergänzungen. Übereinen Zeitraum von zwei Jahrzehnten sollte eine Schlachtflotte vonLinienschiffen erbaut werden, die Großbritannien Paroli zu bieten vermochte.Erst damit glaubte man Deutschlands Großmachtstatus international festigen zukönnen.

 

Unaufhebbar gingen offensive und defensive Elemente in denunübersichtlich wirkenden Risikogedanken ein, der im Zentrum des Tirpitz-Plansstand. Für die Briten sollte ein Angriff auf die deutsche Flotte zu einemunabsehbaren Risiko werden, das sie nicht wagen würden einzugehen. Sollte esdennoch zu einem militärischen Konflikt kommen, würde ein Sieg der Royal Navynur einem Pyrrhussieg gleichkommen, der angesichts der eigenen hohen Verlusteeher eine Niederlage bedeuten würde. Mit Sicherheit jedenfalls würdeGroßbritannien darüber den ohnehin schon zweifelhaft gewordenen "Two PowerStandard" einbüßen, einer Maxime der britischen Admiralität, die besagte, dassdie britische Flotte immer mindestens so stark sein müsse wie die der beidennächsten großen Seemächte zusammen, um somit der Aufgabe der Sicherung desbestehenden Weltreiches ausreichend gewachsen zu sein. So hätte es im Falleeines Konflikts mit Deutschland leicht zum Opfer der dann überlegenenSeestreitkräfte der Franzosen und Russen, die lange Jahre als diegefährlichsten Konkurrenten des Empire galten, absinken können.

 

Einem solchen kühn angelegten Plan haftete von vornhereinetwas Illusorisches an. Eine große Macht wie das Deutsche Reich konnte sichkaum einige Jahre von der Weltpolitik verabschieden, um in aller Ruhe ungestörtaufzurüsten. Außerdem musste Großbritannien früher oder später auf dieHerausforderung reagieren. Seit dem Herbst 1902 wurden einzelne britischeKabinettsmitglieder auf den offensiven Charakter des TirpitzschenSchlachtflottenbaukonzepts aufmerksam. Vom Jahre 1904 an kam es zu einerbritisch-französischen Zusammenarbeit, so dass die britischen Seestreitkräftein der Nordsee verstärkt werden konnten. Eine vollends neue Dimension erhieltder Rüstungswettlauf, als Großbritannien ab 1906 mit der Konstruktion einesneuen, qualitativ überlegenen Schiffstyps, der "Dreadnought"-Klasse, begann.Bald darauf begann sich das endgültige Scheitern des Tirpitz-Plansabzuzeichnen. Der einzige Marineoffizier, der ab 1907 öffentlich denTirpitz-Plan kritisierte, war Vizeadmiral Karl Galster, dessen alternativeÜberlegungen zu einer Kleinkriegführung zur See sich allerdings nichtdurchsetzte.

Siehe auch: Risikotheorie (Militär)

Politische Folgen des Tirpitzplans

 

    Innenpolitischbeabsichtigte Tirpitz, den Umfang der Marine gesetzlich festzulegen (ähnlichwie beim Heer), um damit den Einfluss des Reichstags auf die Marine zuverringern. Durch geschickte Behandlung des Reichstags und gut organisiertePropagandakampagnen gelang es ihm, diesem Ziel mit Zustimmung des Reichstagssehr nahe zu kommen.

    Als Größenordnunghatte Tirpitz von Anfang an eine Flotte im Auge, die 2/3 der britischen Flottestark sein sollte. Dieses Ziel benannte er nicht öffentlich.

    Wegen der enormenKosten des Flottenbaus musste an anderen Stellen gespart werden. Dies betrafinsbesondere das Heer. Tirpitz hatte es da relativ leicht, weil es in derHeeresführung starke Kräfte gab, die das Heer exklusiv halten wollten, um dasEindringen bürgerlicher und sozialdemokratischer Elemente zu verhindern. EineFolge davon war allerdings, dass die Landmacht Deutschland zu Beginn des ErstenWeltkriegs weniger ausgebildete Soldaten als Frankreich hatte.

    Die Idee, dieFlotte unauffällig zu bauen und erst nach ihrer Fertigstellung als Machtmitteleinzusetzen, war zwar im Prinzip richtig, aber bei einer Bauzeit von 20 Jahrenunrealistisch. Man kann nicht jahrelang für etwas Propaganda machen, von demdas Volk nichts zu sehen bekommt. Natürlich war es auch nicht möglich, den Baueiner so großen Flotte nach außen zu verheimlichen. Dazu kam noch, dass derKaiser dazu neigte, bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit "seiner" Flotte zuprahlen. Als politisches Drohmittel war die Flotte ohnehin nur zu gebrauchen,wenn die potentiellen Gegner davon wussten.

    Spätestens ab 1905war klar, dass Deutschland nicht einmal das Wettrüsten auf Basis 2/3 derbritischen Stärke gewinnen konnte. Trotzdem lehnten es Tirpitz und der Kaiserstrikt ab, über Rüstungsbegrenzung auch nur nachzudenken.

    DassGroßbritannien nicht auf die von Tirpitz angestrebte Entscheidungsschlacht inden ersten Kriegstagen einzugehen brauchte, sondern seine Flotte außerhalb derReichweite der deutschen Flotte zur Fernblockade einsetzen konnte, war schon1898 in Planspielen diskutiert worden. Politische Konsequenzen wurden darausnicht gezogen. Tirpitz gab sich auch keine Mühe, dem Kaiser diese Alternativewirklich klarzumachen.

 

Tirpitz, der die Kriegszielfrage als die Hauptfrage desWeltkriegs betrachtete, drängte auf Annexionen hauptsächlich im Westen, um"Deutschland als Weltmacht weiter zu entwickeln". Für Deutschlands "Seegeltung"brauche man Belgien, den Besitz von Zeebrügge und Ostende, denn der Hauptfeindsei Großbritannien, daher plädierte er für einen russischen Sonderfrieden undwollte Russland sogar den Zugang zum freien Weltmeer gewähren. Deutschlandkönne ein noch so großer Kontinentalstaat sein, könne seine Weltstellung abernur durch ungestörten Welthandel und im Kampf gegen Großbritannien bewahren undausbauen. Tirpitz beklagte Deutschlands "Politik der Unklarheit,Unentschlossenheit, des Überwiegens einer humanitären Ideologie über gesundenSelbsterhaltungswillen, der Politik der Übergerechtigkeit für die Neutralen aufKosten vitaler deutscher Interessen, des Bettelns nach Frieden und des Dienernsringsum". Er forderte eine energische Kriegsführung ohne Rücksicht aufdiplomatische und handelspolitische Folgen und befürwortete den äußerstenEinsatz aller Kampfmittel (uneingeschränkter U-Boot-Krieg).Die Haltung seinerinsgesamt nach Westen hin orientierten Gruppe gegenüber dem Britischen Empirewar getragen von Neid und Hass einerseits, zugleich aber auch von Bewunderungund Imitation.

 

Im Weltkrieg und auch schon davor geriet er in Gegensatz zurPolitik von Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg, der eine Politik derVerständigung gegenüber Großbritannien betrieb und die Flotte als Instrumentder Defensive betrachtete. Nach des Kanzlers Ansicht sollte der Sieg zu Landerfolgen, nicht zur See. Damit geriet er in Konflikt zu Tirpitz, der die Flotteoffensiv gegen die britische Home Fleet einsetzen wollte, bevor diese 1916 ihregrößte Wirksamkeit entfalten konnte. Dadurch sollten britische Kräfte gebundenund deren Einsatz in Übersee geschwächt werden, was zur Entlastung derneutralen Staaten und der deutschen Versorgungswege über See beitrug. Außerdemsollten laut Tirpitz die Landstreitkräfte entlastet werden und die Moral derMarine gestärkt werden. Eine Flotte, die untätig im Hafen lag (Fleet-in-being),sei ein potentieller Unruheherd und würde die deutsche Flottenbaupolitik vordem Kriege im Nachhinein ad absurdum führen. Der uneingeschränkte U-Boot-Kriegwar seiner Ansicht ebenfalls verfehlt, da er viel zu spät eingeleitet wurde. Essei versäumt worden, ihn 1916 zu seiner größten Wirksamkeit zu bringen, da diebritische Flottenpolitik und -kapazität noch wirksam bekämpft werden konnte.

 

Im März 1916 kam es zu starker Kritik der deutschenMarineführung in Presse und Reichstag, welche sich in einem Bericht zu den(vermeintlichen) Flottenzahlen im Bundesrat zuspitzte. Heinrich Löhlein,welcher schon vorweg in der Kritik von von Bethmann Hollweg stand, hatte diesein Vertretung von von Tirpitz vorgetragen. Am 12. März 1916 reichte Tirpitzsein Rücktrittsgesuch als Staatssekretär des Marineamtes ein, das vier Tagespäter bewilligt wurde. In einem Gespräch vom 1. April mit Paul Felisch gibtTirpitz der ungeschickten Öffentlichkeitsarbeit des Reichskanzlers die Schuldfür seinen Rücktritt. Felisch, der damals Leiter der Justizabteilung imMarineamt war, zitiert seinen ehemaligen Vorgesetzten wie folgt: "Derverschärfte U-Bootskrieg, wie ihn der Kanzler jetzt hinstellt, ist derU-Bootskrieg, den wir stets gehabt haben. [...] Der Kanzler kann sich ebennicht entschließen, einen festen Willen durchzusetzen, und darum glauben dieNeutralen, dass wir schwach sind. Auf diese Weise wird der Glaube an unserenSieg in der ganzen Welt untergraben. Wenn wir auf die Denkschrift nichts folgenlassen wollten, hätten wir sie nicht in die Welt setzen dürfen."Diese Aussagekam jedoch eher einer Rechtfertigung gleich, zumal Tirpitz nur in reinmilitärischen Belangen dachte und dabei die außenpolitischen Konsequenzen desU-Boot-Krieges nicht berücksichtigte.

 

Laut britischer Pressestimmen sei 1916 das Empire in neunMonaten "am Ende".

Außerdem beklagte er den Kompetenzwirrwarr imFlottenkommando, das zwischen Kaiser, Reichskanzler, Kabinett und Generalstabaufgeteilt war. Dies verhindere flexibles Reagieren der Seestreitkräfte. SeineForderung nach zentraler Befehlsgewalt nach Vorbild der britischen Admiralitätstieß bei den genannten Gremien auf taube Ohren und führte zu seinerResignation 1916. Von 1908 bis 1918 war Tirpitz Mitglied des PreußischenHerrenhauses.

Vaterlandspartei und Deutschnationale

 

1917 war Tirpitz Mitgründer und Vorsitzender der alldeutschund nationalistisch orientierten Vaterlandspartei. Der rechtsradikale WolfgangKapp war sein Stellvertreter, der zusammen mit Heinrich Claß und ConradFreiherr von Wangenheim den politischen Apparat aufbaute. Hier sammelten sich dieGegner eines Verständigungsfriedens, die in Opposition zur Reichstagsmehrheitden Kampf gegen die Friedensresolution führten. Die Vaterlandspartei war eineaußerparlamentarische Bewegung von rechts, mit dem Anspruch auf Integrationaller rechten Parteien und Verbände. Erstmals wurde das Konzept deraußerparlamentarischen Mobilisierung von rechts realisiert. Auf ihremHöhepunkt, im Sommer 1918, hatte die Partei über 1,25 Millionen Mitglieder.Geprägt war die Vaterlandspartei von "cäsaristischem Herrschaftsdenken", wobeiErich Ludendorff und Paul von Hindenburg als "Volkskaiser" propagandistischaufgebaut wurden, mit dem Ziel des "plebiszitären Militärstaates", dessenLegitimität auf Krieg und Kriegszielen beruhte, als Alternative zurParlamentarisierung des Reiches. Intern gab es daher Aufrufe zum Staatsstreichvon rechts unter der Führung von Hindenburg und Ludendorff, notfalls auch gegenden Kaiser. Tirpitz hat mit dem Flottenverein, den Staatsstreichplänen 1915 undder Vaterlandspartei bewiesen, dass er zur politischen Agitation mit demInstrument einer Massenpartei und dem Mittel der Propaganda sowie zumStaatsstreich gegen den Kaiser und zur Militärdiktatur bereit war.

Ab 1924 war Tirpitz als Abgeordneter der DeutschnationalenVolkspartei (DNVP) Mitglied des Reichstags, aus dem er sich 1928 zurückzog undseine politische Arbeit beendete. Er bezog im selben Jahr eine für ihn inFeldafing gebaute Villa und starb am 6. März 1930 in Ebenhausen bei München.Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof in München.


1-2
6.500,00